Das Paradox der Betrugsabwehr: Warum Sparen manchmal teuer ist.
Einsparungen können Versicherungen auf vielfältige Weisen erzielen, beispielsweise indem sie Personal abbauen. Dass das bei der Betrugsabwehr auch nach hinten losgehen kann, zeigt dieser Artikel. von Jan Franke
Betrüger versuchen sich auf vielfältige Weise Leistungen von Versicherungen zu erschleichen, die ihnen gar nicht zustehen und schädigen so nicht nur die Versicherungsunternehmen, sondern auch die ehrlichen Beitragszahlenden.
Dies ist am Beispiel der Privaten Krankenversicherung gut nachvollziehbar: Hier ging die Fachkreistagung der Krankenversicherungen für 2018 von einem Betrug in Höhe von 1,64 Mrd. Euro aus. Bei knapp 9 Mio. Versicherten sorgen die Betrüger somit dafür, dass jeder PKV-Versicherte jährlich 182 Euro mehr bezahlen muss als in einer Welt ohne Betrug.
Laut Experten ist das sogar nur die Spitze des Eisberges – das Dunkelfeld ist schwer abschätzbar. Eine typische Betrugsform in der PKV sind Fehlabrechnungen durch Versicherte. Da die meisten Versicherungsunternehmen keine Möglichkeit haben, die tausenden täglich eingehenden Arztrechnungen und Apothekenbelege zu prüfen und eine manuelle Prüfung ebenfalls unwirtschaftlich wäre, zahlen die Unternehmen weiterhin Tag für Tag Leistungen an Betrüger aus.
Einerseits gibt es also einen eindeutigen Nachholbedarf bezogen auf die Aufdeckung von Abrechnungsfälschungen, andererseits fehlten bislang spezialisierte Lösungen hierfür.
Die Erfahrungen der Versicherer mit klassischen Systemen zur Betrugsabwehr – die typischerweise als Expertensystem bestimmte Abrechnungsparameter überprüfen oder sich allein auf statistische Datenanalysen stützen – sind wenig vielversprechend, da gerade in der Krankenversicherung sehr heterogene Daten vorliegen und nur ein geringer Anteil der erkannten Abweichungen tatsächlich auf Betrug hindeuten (sondern - im Gegenteil - häufig einfach nur eine schwere Erkrankung vorliegt).
Eine weitere Herausforderung für viele Betrugsabteilungen ist der Personalmangel. Egal wie gut ein automatisiertes K.I.-gestütztes System arbeitet, eine große Anzahl der gefundenen „Treffer“ sind falschpositive Fehlalarme, die eigentlich unverdächtig sind. Bedenkt man, dass bei einer großen PKV über zwanzigtausend Dokumente täglich eingehen, reicht schon eine Falschpositivquote von 2% aus, um 400 falsch erkannte Verdachtsfälle pro Tag zu erzeugen.
Möchte man diese sichten und aussortieren, braucht man hierfür Personal. Auch die weitere Bearbeitung eines Betrugsverdachtsfalls benötigt Zeit und ein gewisses Fingerspitzengefühl. Schließlich möchte man ungern einen ehrlichen Kunden durch falsche Verdächtigungen verprellen.
Gleichzeitig waren die Versicherer in den vergangenen zwanzig Jahren stark bemüht, möglichst viele manuelle Tätigkeiten zu automatisieren und damit auch den Personalbedarf zu minimieren, um Kosten zu sparen.
Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Betrug verursacht immense Kosten, funktionierende Betrugserkennung benötigt (mehr) Personal, was jedoch dem Wunsch der Versicherer nach Kosteneinsparungen widerspricht. Das Bewusstsein für „unsichtbare“ Betrugsfälle ist scheinbar deutlich geringer ausgeprägt als für den monatlich in der Buchhaltung erfassten Personalaufwand, auch wenn die eigentlichen Kosten für Betrug deutlich höher sind als die für seine Eindämmung notwendigen Personalressourcen.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Betrugserkennungslösungen bislang größtenteils Betrugsfälle aus der Vergangenheit gefunden haben. Wenn das Geld einmal ausgezahlt wurde, sehen die Versicherer höchstens 10-20% davon wieder. Ziel muss es damit sein, die Verdachtsmomente früher ausfindig zu machen, um Serientäter möglichst frühzeitig zu stoppen und Betrugsfälle idealerweise zu erkennen, bevor die Leistungen ausgezahlt wurden.
Die Analyse von Daten aus der Vergangenheit ist hierfür ungeeignet. Zudem liefern die Leistungssysteme der Versicherer zu wenige Daten, um Betrug effektiv zu bekämpfen.
Beiden Herausforderungen kann man durch ein K.I.-Basiertes System zur automatisierten Dokumentenforensik begegnen: Mit diesem neuen methodischen Ansatz lassen sich manipulierte Dokumente maschinell auffinden. Die eingehenden Abrechnungsdokumente werden sofort überprüft. Gleichzeitig werden durch das Auslesen der Dokumente zusätzliche Daten erzeugt, die für die Betrugsprüfung relevant sind.
Dabei ist der Ansatz nicht neu: Fälschungen haben, im Vergleich zu den Originalen in der Regel Abweichungen im Layout oder in den Texteigenschaften.
Früher haben Sachbearbeiter*Innen bei verdächtigen Rechnungen manuell verglichen, ob Logos, Tabellenstrukturen, Stempel, Abstandsinformationen zwischen Objekten und typografische Texteigenschaften mit Originaldokumenten der entsprechenden Ärztin übereinstimmten.
Diese Prüfung erfolgt heute nur noch selten, da die Abrechnungsprozesse weitgehend automatisiert wurden. Mithilfe einer K.I.-Basierten Dokumentenforensik lässt sich diese Prüfung heute aber wieder umsetzen - und zwar effektiver als je zuvor. Damit muss nur ein Bruchteil des früheren Personals eingesetzt werden, um Betrug effektiver zu bekämpfen.
Die Software kann aufgrund der eingesetzten Containertechnologie sowohl in jeder Cloud betrieben, als auch lokal beim Versicherer installiert werden und da das System alle Belege vollständig automatisiert verarbeitet, ist keine manuelle Nachbearbeitung oder Zuordnung von Nöten.
Lediglich für die Sichtung und Bestätigung von Verdachtsfällen sind noch Mitarbeiter erforderlich – schließlich möchte man die endgültige Entscheidung nur ungern einer K.I. überlassen. Unserer Erfahrung nach spielt ein(e) Betrugssachbearbeiter*in die jährlichen Personalkosten jedoch innerhalb der ersten 1-2 Monate wieder ein. Betriebswirtschaftlich sollte der Fall klar auf der Hand liegen. Wir arbeiten im Sinne der ehrlichen Versicherten daran, dass sich das zukünftig auch bis in die Entscheidungsebenen der Versicherungen herumspricht.